I, A(I)RTIST – Kunst im Zeitalter von KI

KI ist ein Werkzeug, das die Kunst beeinflusst. Das ist eine Tatsache, unabhängig davon, welche Meinung man dazu hat. Ähnlich wie die Fotografie vor 150 Jahren wird KI Einfluss nehmen auf die verschiedensten Kunstgattungen. Architektur, Malerei, Digitale Kunst, Fotografie etc. werden betroffen sein. Vielleicht werden sich eigene Gattungen entwickeln.

Die Ausstellung I, A(I)rtist –Kunst im Zeitalter von KI wirft einen Blick auf die Digitale Kunst/NFTs. Die Bandbreite reicht von Ungegenständlichen bewegten Bildern, die ihre Ansatzpunkte in der Farbfeldmalerei haben bis hin zu bildlich generierten Erinnerungen, die mittels Fotografien erstellt werden.

Linda Dounia

Linda Dounia ist Künstlerin und Kuratorin aus dem Senegal. In ihren Arbeiten erforscht sie die sozialen Konstruktionen von Macht und die kulturellen Auswirkungen der Verteilung von Macht. Aus einer Mischung von physischen und digitalen Medien kreiert sie ihre bewegten KI-Bilder.
Linda vertritt über den Kunstkontext hinaus eine wichtige Position, weil sie sich als afrikanische Frau für die Repräsentation von nicht-westlichen Perspektiven in der GAN-Szene einsetzt. Lindas eigener Ansatz ist die Dekolonialisierung von Kunst und Design, wofür sie Räume schafft, in denen marginalisierte Kunstschaffende sichtbar werden und ihre Arbeit selbst gestalten können.

Mchx

Anton Dubrovin stammt ursprünglich aus Kasachstan.  Nachdem er 2014 nach Moskau zog konzentrierte er sich auf seine künstlerische Arbeit. Er brachte sich selbst die Grundlagen in Komposition, Farbenlehre und Kunstgeschichte bei und erlernte das Coden, um seine eigene Website zu programmieren. Die Farbentheorie Josef Albers, die Arbeiten von Mark Rothko, Yves Klein und später von Rupprecht Geiger inspirierten ihn. Heute erforscht Dubrovin mit Grafikprogrammen, Coden und AI, die Möglichkeiten der Farbfeldmalerei im Digitalen. Er ist besonders von den Arbeiten und Ideen des 20. Jahrhunderts, abstrakten Künstler*innen und der Farbfeldbewegung beeinflusst und sieht Farbe als eine universelle Verbindung von Emotion und Selbstentdeckung.
Dubrovin hat bereits in Ausstellungen in China, St. Petersburg, der Kunsthalle Zürich und Tokyo ausgestellt und arbeitet am liebsten mit Plattformen wie StyleGan2, Playform, Runwayml und Dalle2, wo er seine eigenen Arbeiten als Datensätze für Experimente nutzen kann. Er lebt aktuell in Georgien, Batumi.

Memoakten

Memo Akten ist eine multidisziplinäre Persönlichkeit. Er ist Künstler, experimenteller Filmemacher, Musiker und Informatiker aus Istanbul. Er promovierte in Künstlicher Intelligenz an der Goldsmiths University of London und ist Assistenzprofessor für Computational / New Media Art an der University of California, San Diego. Er arbeitet mit neuen Technologien und Computern als Medium und hat bereits für U2, Depeche Mode, Google und Apple gearbeitet.

2013 erhielt Memoakten den Ars Electronica Preis für seine Arbeit „Forms“.

Memoakten beschäftigt sich in seiner Kunst vor allem mit der Darstellung von menschlichen Emotionen und Beziehungen. Er zeigt sowohl die Schönheit als auch die Schwierigkeiten des Zusammenlebens und der Kommunikation. Er nutzt dabei oft abstrakte Formen und Farben, um die Intensität der Gefühle darzustellen. 

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Natur und die Verbindung von Mensch und Umwelt. Memoakten zeigt hierbei die Verletzlichkeit der Natur und betont die Verantwortung des Menschen für seine Umwelt.

zur Arbeit
Hello World!

Ein Deep Neural Network (DNN) öffnet zum ersten Mal seine Augen und versucht zu verstehen, was es sieht, während es in Echtzeit auf einem Live-Kamerabild trainiert. Das ist die Situation. Der technoide Prozess hat eine poetische Komponente.

Künstlerstatement:

„Hello, World!“ ist eine benutzerdefinierte Software, die DNN (CNN-VAE) in Echtzeit auf einem Live-Videofeed trainiert, während der Benutzer eine Reihe von Hyperparametern in Echtzeit manipulieren kann (z. B. mit Fadern auf einem Midi-Controller). Zu diesen Hyperparametern gehören die Lernrate, der Impuls, die Schwellenwerte für die Gradientenberechnungen, die Optimierungsfunktion, die Verlustfunktion und viele andere. Die Beobachtung der Ergebnisse dieser Hyperparametermanipulationen in Echtzeit hilft dabei, ein qualitatives Verständnis dafür zu entwickeln, wie sie den Trainingsprozess beeinflussen. Darüber hinaus stellt sich heraus, dass die kontinuierliche Manipulation von Hyperparametern in Echtzeit während des Trainings ein großes Leistungspotenzial hat und das trainierende DNN in ein Deep Visual Instrument verwandelt. Mit kontinuierlichem Feedback in Echtzeit ist es relativ trivial (und macht Spaß), Hyperparameterkonfigurationen zu finden, die „stabile Oszillationspunkte“ oder „kontrollierte Explosionen“ liefern.

 

Wenn das Netzwerk schließlich mehr über seine Umgebung „lernt“, beginnt es, seine Erwartungen auf das eingehende Signal zu projizieren. Eine viel tiefere konzeptionelle und technische Analyse finden wir in Kapitel 4 von Memo Aktens Doktorarbeit „Deep Visual Instruments: Realtime Continuous, Meaningful Human Control over Deep Neural Networks for creative expression“ (Memo Akten, 2021) online verfügbar 🙂

 

Dieses neuronale Netz wurde nicht auf irgendetwas trainiert. Es ist zu Beginn völlig leer (d. h. zufällig initialisiert). Es öffnet seine Augen zum ersten Mal und versucht zu „verstehen“, was es sieht. Verstehen“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es versucht, Muster und Regelmäßigkeiten in dem, was es sieht, zu finden, so dass es die eingehenden Informationen im Kontext seiner bisherigen Erfahrungen effizient komprimieren und organisieren und genaue und effiziente Vorhersagen für die Zukunft machen kann. Aber das Netzwerk trainiert in Echtzeit, es lernt ständig und aktualisiert seine „Filter“ und „Gewichte“, um zu versuchen, seinen Kompressor zu verbessern, optimalere und kompaktere interne Repräsentationen zu finden, um eine „universellere Weltsicht“ aufzubauen, auf deren Grundlage es hoffen kann, zukünftige Erfahrungen zu rekonstruieren. Leider „vergisst“ das Netzwerk auch. Wenn zu viele neue Informationen eintreffen und es nicht auf frühere Erfahrungen zurückgreift, verliert es allmählich die Filter und Repräsentationen, die zur Rekonstruktion dieser früheren Erfahrungen erforderlich sind. Diese Ideen sind keine Verhaltensweisen, die ich dem System ausdrücklich einprogrammiert habe. Es sind charakteristische Eigenschaften von tiefen neuronalen Netzen, die ich ausnutze und erforsche.

 

Die Arbeit „Hello World!“ wurde ursprünglich im Jahr 2017 erstellt, veröffentlicht und gemintet wurde sie 2022.

Merzmensch

Merzmensch, Vladimir Alexeev, sieht sich als futuristischer und dadaistischer Künstler Er ist Schriftsteller und Forscher. Die kreative Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine ist sein Thema. Er fokussiert sich dabei auf die Geschichte der Kultur an der Schnittstelle zur neuen Technologie. Er ist ein Experte für digitale Erfahrungen und ein Botschafter der Open Ai Community.

In seiner Kunst und seinen Essays erforscht Alexeev die Horizonte und Möglichkeiten der kreativen Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. Er verwendet in seinen Werken gemischte Medien, einschließlich eigener Poesie und Fotografie, sowie fortschrittliche KI-gesteuerte Modelle und Ansätze wie Dall-E und StyleGAN.

Das Pseudonym „Merzmensch“ stammt aus der MERZ-Kunst von Kurt Schwitters, der für Alexeev eine große Inspiration und geistiger Mentor ist. In seinen Werken versucht Merzmensch, dem Weg von Schwitters zu folgen und neue Bereiche und Realitäten aus gemischten Medien zu schaffen, in denen jedes Element seine Bedeutung hat und gleichwertig mit anderen ist.

Vladimir Alexeev wurde 1979 in Moskau geboren und ist derzeit in Frankfurt ansässig.

Din Burns

Din Burns erforscht in seinen Arbeiten die Themen der menschlichen Psyche. Seine Portraits sind oft dekonstruiert und deformiert. Der in Istanbul lebende Künstler fokusiert sich zuweilen auf den Zustand der permanenten Ablenkungen. Burns sucht in seinen Bildern die verschiedenen Zustände der menschlichen Seele durch visuelle Repräsentationen darzustellen. Angst, Apathie, Verzweiflung, Scham, Identitätsverlust und die Selbstschau, sind konstante Motive in seinen Arbeiten.

Sasha Stiles

Sasha Stiles ist eine erfolgreiche Kalmyk-Amerikanische Dichterin, Künstlerin und AI-Forscherin, die sich mit dem Zusammenfluss von Text und Technologie sowie cross-medialer Arbeit beschäftigt. Sie hat Abschlüsse von Harvard und Oxford und lebt mit ihrem Ehemann und Studio-Partner Kris Bones außerhalb von New York City. Ihre Arbeiten wurden in renommierten Ausstellungen wie dem Museum of Contemporary Digital Art, Miami Art Week und New York Fashion Week gezeigt und sie wurde bei den Future Art Awards ausgezeichnet. Sasha versucht, die verborgene Sprache des heranbrechenden Novacene zu entschlüsseln, indem sie Elemente der Semiotik, Übersetzung, Computerwissenschaft, spekulativem Design, visueller Poesie und Konzeptkunst miteinander verbindet. Sie ist auch Mitbegründerin von „theVERSEverse“ und hat das Buch „Technelegy“ veröffentlicht.

Shardcore 

Shardcore ist der Künstlername von Eric Drass, einem englischen Künstler und Kurator, der sich in seinen Arbeiten mit Themen wie Identität, Bewusstsein und den philosophischen Verzweigungen der künstlichen Intelligenz beschäftigt. Seine künstlerischen Mittel reichen von der Malerei über digitale Installationen bis hin zu KI-Kunst mit maschinellem Lernen.

Drass hat einen Abschluss in Philosophie und Psychologie von der Universität Oxford und ist Mitautor einer Reihe von Patenten, die sich mit PRISM-ähnlichen Überwachungstechnologien befassen, sowie einer Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten zu neuronalen Netzwerkmodellen des Spracherwerbs und der Vererbbarkeit.In seiner Arbeit geht Drass oft über die traditionellen Grenzen der Kunst hinaus und seine Arbeiten sind häufig politisch, spielerisch, provokativ oder transgressiv. Seine Arbeiten werden in renommierten Medien wie The Guardian, BBC4 und Wikipedia vorgestellt und besprochen.Drass hatte auch eine kurze Karriere in der Musikbranche als Mitglied einer experimentellen Hardcore Band und hat versucht, sich als junger Mann im Model- und Fernsehgeschäft zu etablieren. Sein breites Spektrum an Erfahrungen und Kenntnissen trägt zu seiner vielschichtigen und ungewöhnlichen künstlerischen Praxis bei. 

Ivona Tau

Dr. Ivona Tau, geboren 1990, lebt und arbeitet in Warschau. Sie ist eine KI-Künstlerin und Forscherin aus Litauen. Ein Kernelement ihrer Arbeit liegt in der Schnittmenge von Kunst und Fotografie und den neuen Technologien des maschinellen Lernens.

In den künstlich intelligenten Werkzeugen möchte sie Emotionen nicht nur finden, sondern diese auch hervorrufen, um sie auf diese Weise menschlicher zu machen.

Ivona hat einen Masterabschluss in Mathematik an der Universität Warschau und letztes Jahr erlangte sie den Doktortitel in Informatik an der Polnisch-Japanischen Akademie für Informationstechnologie. Ihre Arbeiten wurden bereits im bei Sotheby’s versteigert und auf der wichtigen NFT Verkaufsplattform hic et nunc gehört sie zu den Top 50 Künstler*innen.

Zur Arbeit:

The Birth, and the Shared Memories of the Artist and the Algorithm, 2023

Die Frühen Erinnerungen sind wage und verschwimmen immer wieder. Ivona Tau ist inspiriert von dieser Erfahrung und sieht dabei Parallelen zu den frühen Phasen des Trainings neuronaler Netzwerke.

Die frühen Erinnerungsvisionen ähneln den Farben und Lichtern, die bildgebende KIs zu Beginn ihres Trainings fabrizieren. Abstrakte Formen und Farben prägen die Erscheinung, die erst allmählich konkreter wird. Dabei ergeben sich immer wieder Momente, in denen der Betrachter glaubt, etwas erkennen zu können. Ähnlich dem Gefühl, wenn man glaubt, sich an etwas erinnern zu können.

In Ivona Taus Fall handelt es sich um Erinnerungen, die so sehr verblasst sind, dass sie keine Formen mehr sehen oder Orte erkennen kann. Die Erinnerungsfetzen werden durch emotionale Merkmale von Farbe und Bewegung ausgedrückt.

Im Falle des Algorithmus zeigt Ivona die frühesten Stadien des maschinellen „Lernens“ und „Lebens“. Es sind die Momente wenn der Computer erste Versuche unternimmt, die Realität nachzuahmen. Hier sind die vom Algorithmus erzeugten Bilder noch abstrakt. In gewisser Weise sind dies auch dessen erste Erinnerungen.

Die Abstraktion ist in dieser Arbeit kein statisches Bild. Fluide Übergänge prägen die formale Ebene der Bilder. Für Ivona Tau ist die KI eine Art modernes Aquarell – man kann ihren Fluss beeinflussen, aber nicht vollständig kontrollieren.